Burnout

2. Begriffsklärung und theoretischer Hintergrund

2.1 Selbst und Selbstdarstellung

„Zu Hause, hinterm Lenkrad und im Fußballstadion lässt er schon mal jene Sau raus, die er am Arbeitsplatz längst wieder eingefangen hat – und die er im Restaurant oder beim Theaterbesuch in Sicherungsverwahrung weggesperrt hält.“ (Peter Dausend in, ZEITmagazin: Elternknigge, S.28, 25.02.2010)

Warum gebraucht man vor seinem eigenen Kind eher Schimpfworte als vor Fremden in einem Restaurant oder Theater?

Wieso wird auf fremde Personen mehr Rücksicht genommen als auf das Kind? Wen repräsentieren wir in dieser Situation?

Diese grundlegenden Fragen zum Thema Selbst- und Selbstdarstellung, sollen im Verlauf des Punktes 2.1 beantwortet werden.

Dabei soll zuerst auf das Selbst eingegangen werden, weil es Grundvoraussetzung für die Selbstdarstellung ist. Hierbei werden die Begriffe „Ich“ und „Selbst“ voneinander abgegrenzt, außerdem wird auf den Begriff der Identität, im Sinne der Soziologie Bezug genommen. Anschließend wird das Selbst aus heutiger, sozialpsychologischer Sicht erklärt und dessen Zusammenhang mit der Selbstdarstellung dargelegt. Im Anschluss daran wird auf verschiedene Theorien zum Thema Selbst und Selbstdarstellung eingegangen, die für den Hauptteil der Arbeit von Bedeutung sind.

2.1.1 Die Begriffe Selbst und Selbstkonzept

„Die Begriffe Selbst oder Identität legen nahe, dass jeder von uns eine Antwort auf die fundamentale Frage „Wer bin ich“ hat.“ (Simon/Trötschel 2007, S.150.)

Diese Selbstreflexion des Menschen, ist eine wissenschaftsgeschichtliche Frage, die sich sowohl auf ein Subjekt, als auch auf ein Objekt, während des Erkenntnisprozesses bezieht. Das Subjekt erkennt selbst und das Objekt wird erkannt (vgl. Simon/Trötschel 2007, S.150f.). Im Folgenden werden die Begriffe „Selbst“ und „Ich“ unterschieden, um zu klären worauf sich der Erkenntnisprozess bezieht.

Der Psychoanalytiker Heinz Hartmann, führte eine Unterscheidung der Begriffe des „Ich“ und des „Selbst“ in die Psychoanalyse ein. Dabei ist das „Ich“ nach dessen Verständnis die Gesamtheit der seelischen Funktionen, die eine bessere Anpassung an die Umwelt ermöglichen. Das „Selbst“ hingegen charakterisierte er als Gesamtheit der „inneren Bilder von sich Selbst…“ (vgl. Hübner G. 2009 S.27ff.). Hübner präzisiert im weiteren Verlauf seiner Arbeit das Bild des „Ich“. Er beschreibt das „Ich“, als in Teilen erworbene und angeborene „Struktur“, welche zur Wahrnehmung der Realität und der Bewältigung der Sozialisationsaufgaben dient (vgl. Hübner G. 2009 S.27ff.).

Aus sozialisationstheoretischer Perspektive kann das „Ich“ als Ergebnis einer individuellen Auseinandersetzung der Anlagen einer Person mit der umgebenden Umwelt interpretiert werden. Hierbei ist zentral, dass die eigenen Bewertungen bzw. Bilder von sich nicht die gesamte Person ausmachen.

Diese kurze Abgrenzung der Begriffe „Selbst“ und „Ich“ soll im Rahmen dieser Arbeit genügen. Im Folgenden wird der Begriff des Selbst nach dem Verständnis der Sozialpsychologie erläutert.

In der Sozialpsychologie wird auf die Frage, wer man selbst ist, durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Selbst“ eingegangen. Das „Selbst“ wird als subjektive Sicht auf die eigene Person verstanden.

Während der Begriff „Individuum“ kennzeichnet, dass sich ein Mensch von anderen abgrenzt, meint „Selbst“, die auf sich (selbst) bezogene Zuschreibung von Merkmalen und Eigenschaften. Demnach existiert das „Selbst“, nach dieser Auffassung, nur als Konzept von uns (vgl. Mummendey 1995, S.54).

Im Folgenden ist unter der Verwendung des Begriffes Selbst gleichzeitig auch das Selbstkonzept gemeint.

„Unter Selbstkonzept kann demnach die Gesamtheit der auf die eigene Person bezogenen Beurteilungen verstanden werden.“ (Mummendey 1995, S.54)

Die Person beurteilt sich und ihre Merkmale ständig selbst, d.h. sie ist zugleich Subjekt und Objekt des Erkenntnisprozesses über die eigene Person.

Die Merkmale können dabei eine Vielzahl von Aspekten, der Frage wer man selbst ist, betreffen. Demnach wird die eigene Person, durch Beurteilungen körperlicher und physischer Merkmale, in Bezug auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, beschrieben und bewertet (vgl. Mummendey 1995, S.55).

Das Selbstkonzept organisiert Informationen für den Menschen, indem es hilft, die einströmenden Reize der sozialen Umwelt zu erkennen und zu interpretieren.

Zudem hat es eine direkte Auswirkungen auf die menschliche Interaktion, weil es Informationen auswertet und dadurch auf das Verhalten von Personen einwirkt

(vgl. Simon/Trötschel 2007, S.152.). Aus diesem Grund wird dem Selbst eine Doppelrolle zugesprochen. Nach diesem Verständnis, wird das Selbst und damit das Selbstkonzept, als Mediator interpretiert. Denn das Selbst formt sich während der sozialen Interaktion mit der Umwelt.

Gleichzeitig lenkt oder beeinflusst das Selbst auch die Interaktion, indem selbstbezogene Beurteilungen und Präferenzen auf den Interaktionsprozess bezogen werden (vgl. Simon/Trötschel 2007, S.151.). Diese Zusammenhänge sollen am Beispiel des Selbstschemas und der Selbstkomplexität verdeutlicht werden.

Von zentraler Bedeutung für den Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Selbstdarstellung, ist die Frage nach der Auswirkung des Selbstkonzeptes auf die Interaktion mit der sozialen Umwelt. Es ist nicht möglich, sein Selbstkonzept von der Umwelt abzuschotten, vielmehr wird es in jede soziale Interaktion mit hineingetragen. Eine geeignete theoretische Konzeption, zur Illustration des Zusammenhanges zwischen Selbstkonzept und sozialer Interaktion, „aus der Perspektive der sozialen Kognition“, ist die Auffassung von Selbstschemata als Unterkategorien des Selbstkonzeptes.

Hazel Markus etablierte die Auffassung, dass Selbstschemata zentrale Bestandteile des Selbstkonzeptes sind (vgl. Simon/Trötschel 2007, S.152).

Dabei definierte sie Selbstschemata als:

„als kognitive, aus Erfahrungen abgeleitete Verallgemeinerungen über das Selbst, die die Verarbeitung selbstbezogener, in den sozialen Erfahrungen des Individuums enthaltener Informationen organisieren und steuern.“

(Simon/Trötschel 2007, S.152)

Die Forschungen von Hazel Markus ergaben, dass ein Selbstschema die selbstbezogene Wahrnehmung und auch die Wahrnehmung anderer beeinflusst, d.h. es werden Informationen danach selektiert, ob sie selbstrelevant sind oder nicht. Diese Informationen werden danach auch auf die soziale Interaktion bezogen. Einerseits werden sich selbst, schemaähnliche Adjektive zugeordnet, gleichzeitig werden schemaunähnliche Adjektive als nicht zutreffende Eigen-schaften der eigenen Person interpretiert (vgl.Simon/Trötschel 2007, S152).

Zudem wurde beobachtet, dass schematakongruente Verhaltensweisen bzw. Verhaltensepisoden aus dem Gedächtnis abgerufen werden und die Wahr-scheinlichkeit erhöhen, dass dieses Verhalten in zukünftigen Situationen, von der Person selbst, als zu erwartendes Verhalten eingestuft wird. Selbstschemata sind relativ stabile und zentrale Komponenten des Selbstkonzeptes. Daraus ergibt sich, dass Selbstschemata die Verarbeitung und Bewertung des eigenen, aber auch die Wahrnehmung fremden Verhaltens beeinflussen. Somit filtert das Selbstkonzept Informationen und bestimmt implizit die soziale Interaktion mit, durch das Selbstschema wird bestimmt welchen Reizen wir uns zuwenden

(vgl. Simon/Trötschel 2007, S.152ff.).

Eine weitere Erklärung, die eher den Interaktionen vorgelagert ist und den Umgang mit den daraus resultierenden Emotionen beschreibt, ist das Konzept der Selbstkomplexität. Die Selbstkomplexität beschreibt letztlich die Struktur des Selbstkonzeptes. Diese definiert sich „als eine Funktion der Anzahl von Selbstaspekten und deren Verbundenheit“. (Simon/Trötschel 2007, S.155)

Selbstaspekte sind beispielsweise Rollen, körperliche Merkmale, Fähigkeiten, Einstellungen und Gruppenzugehörigkeit. Besitzt ein Mensch eine große Anzahl an Selbstaspekten, die gleichzeitig noch unverbunden sind, dann fungieren diese sozusagen als „Puffer“ gegen emotionale Belastungen

(vgl.Simon/Trötschel 2007, S.155ff.).

Aus soziologischer Perspektive würde man die Frage wer man selbst ist oder wer jemand anderer ist mit dem Begriff Identität beantworten. Den auf die Umwelt bezogenen Begriff erläutere ich im Folgenden.

Zentral für den Identitätsbegriff ist eine Passung zwischen dem einzelnen Subjekt und der Umwelt. Erst durch soziale Muster wie Rollen kann sich die Einzelperson verorten (vgl. Keupp 2008, S.107ff.).

Im deutschsprachigen Raum arbeitete besonders Krappmann am Identitätsbegriff.

„Er definiert Identität als das Erleben des Sich-Selbst-Gleichseins, das sich auf die verschiedenen Stadien der eigenen Lebensgeschichte und auf die jeweils unterschiedlichen sozialen Anforderungen in verschiedenen Handlungsbereichen bezieht.“ (Hurrelmann 2006, S.99)

Des Weiteren unterscheidet er zwei Identitätskomponenten die „soziale Identität“ und die „personale Identität“ (Hurrelmann 2006, S.99).

Die „soziale Identität“ gibt die gesellschaftlich erwarteten Verhaltensweisen vor, der eine Person nachkommen muss, um in den entsprechenden Handlungsbereichen als handlungsfähig gelten zu können.

Die „personale Identität“ drückt aus wie eine Person die „soziale Identität“ verwirklicht. Genauer gesagt, wie die Anforderungen realisiert werden und verschiedene Erwartungen positioniert werden, ist Ausdruck einer persönlichen „Note“ bei der Umsetzung der „sozialen Identität“ (vgl. Bohnsack 1995, S.40-42). Die spezifische Leistung eine Balance zwischen personaler und sozialer Identität zu schaffen, wird als „Ich-Identität“ bezeichnet.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Begriff Identität und die genauere Zuordnung (z.B. „personale Identität“) dann verwendet, wenn es sich um gesellschaftliche Erwartungen und deren Realisierung handelt.

Den Begriff Selbst im Sinne des Selbstkonzeptes verwende ich, wenn es sich um Selbstbewertungen und deren Folgen handelt.

Wenn man die beiden Begriffe miteinander in Beziehung bringt, kann das Selbstkonzept als Komponente der Identität angesehen werden.

Die eigene Bewertung und die daraus resultierenden Bilder von sich selbst geben auch einen gewissen Rahmen vor, in dem gesellschaftlich erwartete Verhaltens-weisen individuell realisiert werden können.

2.1.2 Der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Selbstdarstellung

Wie bereits erwähnt, wird die Rolle des Selbst in sozialen Interaktionen auf zweierlei Weisen interpretiert. Das Selbst kann sowohl Konsequenz von Interaktionen, als auch vorausgehende Bedingung sein, die in die Interaktion eingebracht wird. Aus Sicht der Sozialpsychologie vollzieht sich beides parallel, d.h. dem Selbst wird eine Doppelrolle bei sozialen Interaktionen zugesprochen

(s. 2.1.1).

Verbunden mit den Fragen: „Wer bin ich“ oder „welchen Begriff habe ich von mir als Person“, ist auch die Frage, unter welchen Bedingungen das Selbst den sozialen Interaktionspartnern oder der Öffentlichkeit gegenüber präsentiert wird

(vgl. Mummendey 1995, S.81 ff.). Hierbei ist von zentraler Bedeutung, dass das Selbst als das Zentrum der Selbstdarstellung angesehen wird.

un wirft sich die Frage auf, in welchen Situationen es sich um Selbstdarstellung handelt. Offensichtliche Situationen sind beispielsweise die Bewerbungssituation, die Führerscheinprüfung oder ein Vermittlungsgespräch hinsichtlich des Sorgerechtes im Jugendamt. In der Bewerbungssituation und der praktischen Führerscheinprüfung ist allen beteiligten Parteien klar, dass die Selbstdarstellung des Bewerbers bzw. zu Prüfenden intentional auf einen möglichst positiven Eindruck gerichtet ist. Im Vermittlungsgespräch wird neben der Hervorhebung der eigenen Qualitäten, häufig noch die andere Partei diskreditiert. Nach dem Alltagsverständnis würde man hauptsächlich diese und ähnliche Verhaltensweisen als kennzeichnend für Selbstdarstellung beschreiben.

Die wissenschaftliche Sichtweise gibt sich mit dieser negativ besetzten Sichtweise, die mit einer überzogenen Verstellung und Manipulation verbunden ist, nicht zufrieden. Vielmehr erweitert sie den Blick auf weniger offensichtliche Situationen, in denen Selbstpräsentation eine große Rolle spielt.

Im einleitenden Beispiel (vgl. 2.1.) wird dies deutlich, denn je nach sozialer Situation zeigt die angesprochene Person auch andere Verhaltensweisen. Selbstdarstellung artikuliert sich nicht nur verbal, sondern auch durch diverse Verhaltensweisen und durch das äußerliche Erscheinungsbild.

Man muss also zu dem Schluss kommen, „daß Selbstdarstellung in fast jeder sozialen Situation eine Rolle spielt“, d.h. bei jedem „zwischenmenschlichem Verhalten“ zu berücksichtigen ist. (Mummendey 1995, S.15)

Hintergrund fast aller Selbstdarstellungstheorien ist Erving Goffmans Methapher des Theaterspielens in sozialen Interaktionen. Worunter man die Auffassung versteht, dass Menschen als Darsteller (Schauspieler) in sozialen Interaktionen Rollen spielen und dabei versuchen ihr Publikum, d.h. ihre Interaktionspartner, zu beeinflussen (vgl. Goffman 2007).

„Jegliche soziale Interaktion wird analog zu Bühnenauftritten verstanden. Dabei müssen diese Auftritte nicht notwendigerweise bewußt geplante Täuschung-versuche sein. Eindrücke können bewußt gesteuert (given) oder unbewußt vermittelt sein.“ (Schütz 1992, S.26)

Goffman definiert (Selbst-) Darstellung wie folgt:

„Eine „Darstellung“ (performance) kann als die Gesamttätigkeit eines bestimmten Teilnehmers an einer bestimmten Situation definiert werden, die dazu dient, die anderen Teilnehmer in irgendeiner Weise zu beeinflussen.“ (Goffman 2007, S.18)

Daraus ergibt sich, dass das Selbstkonzept danach fragt, wie sich jemand selbst sieht und die Selbstdarstellung, wie sich jemand nach außen zeigt

(vgl. Schütz, 1992). Im Sinne des Symbolischen Interaktionismus orientiert an den anderen Interaktionspartnern, indem sich Menschen so wahrnehmen, wie sie glauben wahrgenommen zu werden.

Beispielsweise Horton Cooleys „looking-glass-self“, worunter die Annahme verstanden wird, dass soziale Interaktionen als Spiegel fungieren, die das Bild unserer eigenen Person reflektieren. Personen definieren sich selbst durch die Interpretation der Reaktionen auf die eigene Person. Diese Interpretation bestimmt letztlich welche Rolle in welcher Situation dargestellt wird

(vgl. Mummendey,1995 S.66ff.).

2.1.3 Theorien des Selbst und der Selbstdarstellung

Es ist bisher deutlich geworden, dass über das Selbst und das Selbstkonzept nicht gesprochen werden kann, ohne dabei auf eine bestehende Theorie zurückzu-greifen (vgl. Mummendey,1995 S.81).

Die bisherigen Theorien dienten zum einen zur Definition der verwendeten Begriffe, zum anderen dazu, den Zusammenhang von Selbst und Selbstdarstellung zu verdeutlichen und systematisch zu entwickeln.

Im Folgenden werden weitere Theorien vorgestellt, die für den Zusammenhang zwischen Burnout und Selbstdarstellung von besonderer Bedeutung sind.

Es wird eine Unterscheidung zwischen Theorien des Selbst und Theorien des Selbstkonzeptes vorgenommen, obwohl, wie gezeigt wurde, beide Phänomene zusammenhängen. Es handelt sich hierbei um eine systematische Trennung zur Verdeutlichung der einzelnen Aspekte.

2.1.3.1 Theorien des Selbst

Im Zusammenhang mit Burnout sind im Hinblick auf das Selbst, Theorien des Selbstwerts und der Selbstwerterhaltung und Theorien, die das Selbst als Regulationsprozess beschreiben, von besonderer Bedeutung.

Die Vorstellung der Selbstregulation als Prozess impliziert, dass Menschen ihr Verhalten regulieren, d.h. unter Kontrolle und Lenkung auf bestimmte Ziele richten.

Diese Ziele drücken in gewisser Weise aus, wer wir selbst sind, da ein Großteil unserer Ziele dazu beiträgt unser erwünschtes Selbst zu erreichen und zu erhalten oder ein unerwünschtes Selbst zu vermeiden

(vgl. Simon/Trötschel 2007, S.164ff.).

Die Selbstdiskrepanztheorie, die auf Higgins zurückgeht, beschreibt unterschied-liche Komponenten des Selbst, die das Verhalten regulieren. Ausgangspunkt sind drei Komponenten des Selbst. Das tatsächliche Selbst (actual self) meint Merkmale des Selbst, die sich die Person zuschreibt und von denen sie denkt, dass sie ihr auch von anderen Personen zugeschrieben werden (vgl. Mummendey,1995 S.99f).

Das Idealselbst beinhaltet die Ideal-Leitvorstellungen des Selbst, worunter die eigenen Hoffnungen, Wünsche und Zielvorstellungen fallen, die wir uns im Idealfall zuschreiben würden. Die letzte Komponente, das soll Selbst (oder auch normatives Selbst), beschreibt unsere eigene Vorstellung und die Vorstellung anderer, wie wir sein sollten, d.h. was unsere Aufgaben, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten sind. Bei der Verfolgung von Zielen kann es zu Diskrepanzen zwischen den einzelnen Komponenten kommen. Entsteht beispielsweise eine Diskrepanz zwischen dem tatsächlichem Selbst und dem Idealselbst, verfolgt das Individuum die Strategie der Annäherung an das Ideal, indem es versucht so weit wie möglich dem Ideal zu entsprechen. Wenn die aufgetretenen Diskrepanzen nicht aufgelöst werden können, sind negative Gefühle wie Enttäuschung und Unzufriedenheit die Folge. Eine noch verheerendere Bedrohung stellt die Diskrepanz zwischen den persönlichen Merkmalen und den Soll-Leitvorstellungen dar. Hierbei ist die Vermeidung der Zustände, die der Soll-Leitvorstellung widersprechen eine Strategie der Selbstregulation. Wenn eine solche Diskrepanz nicht aufgelöst werden kann, sind Emotionen wie Angst und Unruhe die Folge

(vgl. Simon/Trötschel 2007, S.164ff.).

Für die Selbstregulation ist zudem der auf Bandura zurückgehende Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung von großer Bedeutung. Damit wird die subjektive Erwartung, die Umwelt durch die eigenen Fähigkeiten kontrollieren zu können, bezeichnet. Das bedeutet, dass die Selbstwirksamkeitserwartung (self-efficacy) ausdrückt, in welchem Ausmaß Selbstregulation betrieben wird und ob bestimmte Ziele angestrebt werden oder ob diese aufgrund der subjektiv gering eingeschätzten Realisierung, erst gar nicht in eine Handlung umgesetzt werden. (vgl. Simon/Trötschel 2007, S.165f.).

Ein weiteres theoretisches Konstrukt, das für die Thematik des Burnout-Syndroms von Belang ist, stellt das Selbstwertgefühl und die damit verbundene Theorie der Selbstwerterhaltung dar. Das Selbstwertgefühl ist sozusagen das Resultat der Bewertung der eigenen Selbstaspekte. Demnach werden „anhand internalisierter Standards oder sozialer Normen“ unser Verhalten, unsere Fähigkeiten oder auch das äußere Erscheinungsbild, bewertet. (Simon/Trötschel 2007, S.167)

Es wird angenommen, dass Menschen generell ein positives Selbstwertgefühl anstreben. Warum das so ist, wird unter anderem evolutionär erklärt.

Ein positives Selbstwertgefühl – so die These – sorgt dafür, dass sich ein Individuum besser versorgt und auf sich achtet. Daraus folgt eine höhere Überlebenswahr-scheinlichkeit und die Wahrscheinlichkeit des Reproduktionserfolges wird größer (vgl. (Simon/Trötschel 2007, S.164ff.).

Ein positives Selbstwertgefühl erfüllt nach neueren Erkenntnissen eine gewisse Schutzfunktion für das Selbst. Taylor und Brown postulieren, dass sich eine positive Selbstbewertung förderlich auf die seelische Gesundheit auswirkt und eine erfolgreichere Anpassung an die Lebensumstände ermöglicht. Es ist zu beachten, dass hierbei insbesondere, unrealistisch positive Bilder des Selbst, d.h. „Illusionen“, wirksam gegenüber Bedrohungen des Selbst sind.

Solche Urteilsverzerrungen können als Schutz gegen Situationen dienen, die unser Selbst bedrohen. Typische Beispiele sind Situationen in denen die eigenen Erwartungen verletzt werden oder in denen man mit seinen eigenen Schwächen konfrontiert wird (vgl. (Simon/Trötschel 2007, S.167ff.).

Tessers Selbstwerterhaltungsmodell geht davon aus, dass Menschen aktiv Strategien einsetzten, um den Wert des Selbst zu verbessern oder mindestens zu erhalten. Menschen stellen ihren Selbstwert durch ständige Vergleichsprozesse auf die Probe. Sie vergleichen sich mit Menschen, die für ihre Selbstdefinition von Belang sind und eine gewisse soziale Nähe zu ihnen haben.

Fällt ein Vergleich für eine Person, mit einer relevanten und nahe stehenden Person in einem Bereich negativ aus, der für sie große Bedeutung hat, dann kommt es zu einer Bedrohung des Selbstwertgefühls.

Tesser geht von drei Strategien aus, um den Selbstwert zu erhalten: Die Verbesserung der eigenen Leistung, soziale Distanz zur Vergleichsperson und eine Verringerung der Bedeutsamkeit der Leistung. Ist hingegen die verglichene Leistung nicht relevant für die Selbstdefinition der Person, zieht die Person eventuell einen Gewinn für den eigenen Selbstwert aus der guten Leistung der nahestehenden Person (vgl. (Simon/Trötschel 2007, S.167ff.).

Zusammenfssend lässt sich über die Theorie der Selbstwerterhaltung nach Tesser sagen: „Das Individuum wertet ihr nahe stehende Personen ab, verändert die Bedeutsamkeitshirachie von Bewertungsdimensionen oder zeigt massive Verhaltensänderungen, um vor sich selbst, also sozusagen sich selbst gegenüber (wieder) positiv dazustehen: Es präsentiert sich gegenüber der eigenen Person.“ (Mummendey 1995, S.95)

2.1.3.2 Theorien der Selbstdarstellung

„Individuen kontrollieren (beeinflussen, steuern, manipulieren etc.) in sozialen Interaktionen den Eindruck, den sie auf andere Personen machen.“

(Mummendey,1995. S.111)

Dieser Satz verdeutlicht, wenn auch vereinfacht, die Kernaussage der Impression-Management-Theorie, die an die in Abschnitt 2.1.2 bereits dargestellten Übelre-gungen anschließt.

Das Besondere hierbei ist die Wechselbeziehung zwischen Selbst- und Fremdbild, die aufbauend auf den Symbolischen Interaktionismus (s.2.1.2), Selbstdarstellung interpretiert „indem Sinne, dass die Präsentation vom Selbstbild einer Person, die Funktion hat, das Bild von der Person zu beeinflussen.“ (Latterman 2003, S.20)

Gleichzeitig beeinflussen die Reaktionen der Interaktionspartner das eigene Verhalten und die Präsentation des Selbstbildes (vgl. Mummendey 1995, S.128).

Die Interaktionspartner schreiben sich gegenseitig, und auch der Situation, Bedeutungen zu, die an Erwartungen gekoppelt sind, d.h. Situationen und die darin beteiligten Personen werden in einem sozialen Kontext definiert.

Diese Definitionen der sozialen Situationen und die damit verbundenen wechselseitigen Bedeutungszuschreibungen der Interaktionspartner beeinflussen die gesamte Interaktion. Je nach Situation wird ein anderes Verhalten als sozial adäquat eingestuft.

Wie im einleitenden Beispiel (s.2.1) deutlich wurde, verlangt ein Restaurant-besuch nach einer anderen Selbstdarstellung als ein Fußballstadion.

Die Entscheidung eine bestimmte Verhaltensweise zu zeigen hängt davon ab, welche Reaktionen von den Interaktionspartnern erwartet werden.

Je nachdem, ob das gezeigte Verhalten erwünscht oder unerwünscht war, wird es beibehalten oder modifiziert. Die Reaktionen der Interaktionspartner sind von entscheidender Bedeutung, denn dadurch wird deutlich welcher Eindruck von der eigenen Person entstanden ist, d.h. auch, wie die Bewertung der eigenen Person durch die Interaktionspartner ausfällt (vgl. Latterman 2003, S.19ff.).

Vertreter der Impression-Management-Theorie nehmen an, dass in Interaktionen ein möglichst hohes Selbstwertgefühl angestrebt wird, weil es als generalisierter Verstärker für die darstellende Person dient. Demnach wird Selbstdarstellung als operantes Verhalten interpretiert. Verstärkende Reize erhält man durch das Aufzeigen bestimmter Merkmale in sozialen Interaktionen (vgl. Mummendey,1995 S.128f.). Selbstdarstellung impliziert demnach generell die Ausübung von sozialer Macht, indem man durch die Darstellung bestimmter situationsangepasster Merkmale das Publikum beeinflusst und auf einen gewünschten Eindruck abzielt.

Auf die Impression-Management-Theorie bezogen heißt dies:

„Man kontrolliert indirekt das Verhalten der anderen Personen, indem man sich eine für eine bestimmte Situation als angemessen erscheinende Identität gibt.“

(vgl. Mummendey 1995, S.133).

Ziel der Darstellung ist eine möglichst positive Selbstwertbilanz, d.h. ein möglichst positiver Selbstwert als Ergebnis sozialer Interaktionen. Neben der verstärkenden Wirkung selbstwertdienlicher Ereignisse kann das Streben nach einer positiven Bilanz unter Verwendung von sozialer Macht auch als der Versuch verstanden werden, die Diskrepanz zwischen Ist- und Soll-Selbst zu verringern

(vgl. Mummendey 1995, S.133).

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