Spielsucht: Wie sie entsteht und was Sie dagegen tun können

Spielsucht stoppen

Spielsucht stoppen
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Kinder erfahren ihren Körper und die Umwelt durch ihre fünf Sinne. Tun sie dies aus eigenem Impuls, spielen sie. Einem Kleinkind würde niemand vorschreiben, welchen Weg es durch die Wohnung nehmen sollte. Läuft es auf einer Wiese umher, darf es ebenfalls seinen inneren Impulsen folgen. Die angeborene Neugier sorgt dafür, dass es sich für alles interessiert, was sich in seiner Umgebung befindet. Es möchte jeden Gegenstand mit allen Sinnen erfassen und im wahrsten Sinne des Wortes begreifen.

Wir nennen es “spielen”, wenn sich Kinder mit sich selbst oder ihrer Umwelt spontan in einer Art und Weise beschäftigen, die ihre Lebensfreude zum Ausdruck bringt. Lernen bedeutet ein Hinauswachsen über die Erfahrungen des gestrigen Tages und täglich kommt Neues hinzu.

Kinder haben keine Angst vor dem Leben. Doch sie entwickeln Ängste und Gewohnheiten aufgrund von Erfahrungen mit ihrer Umwelt oder engen Bezugspersonen. Je positiver ihre Erfahrungen in den ersten Lebensjahren sind, desto intensiver bleiben sie mit einem glücklichen Leben verbunden. Doch wie kann es zu Suchterscheinungen kommen?

Pathologisches Spielverhalten als psychische Störung

Suchterscheinungen, wie beispielsweise die Spielsucht, zeichnen sich durch einen Kontrollverlust über das eigene Handeln aus. Es ist dem Betreffenden nicht möglich, aus freiem Willen auf eine Handlung zu verzichten. Während es beim Alkoholismus um ein Empfinden geht, das durch den Suchtstoff hervorgerufen wird, strebt der suchtkranke Mensch bei der Spielsucht ein konkretes Ergebnis an. Ob Kartenspiel, Wetteinsatz oder Lotterie – es steht ein Gewinn in Aussicht, der um jeden Preis erlangt werden muss.

Bei Suchterkrankungen muss zwischen stoffgebundenen und verhaltensgebundenen Abhängigkeiten unterschieden werden. Zu den stoffgebundenen Suchterkrankungen gehört beispielsweise die Abhängigkeit von Nikotin, mit dem bereits Babys in Kontakt kommen, wenn die Eltern rauchen. Verhaltensgebundene Suchterkrankungen entstehen dagegen durch die Übernahme von Verhaltensweisen, die dem Kind durch Eltern und Betreuungspersonen vorgelebt werden. Diese Konditionierung erfolgt bei allen Kindern, da sich die menschliche Entwicklung aufgrund von Nachahmung vollzieht.

In den ersten Lebensjahren baut sich das Nervensystem durch Erfahrungen auf, die Nervenzellen vernetzen sich und erst dann ist der Mensch in der Lage, anhand dieser Erfahrungen Verhaltensweisen selbstständig auszuwählen. Abhängig von den Emotionen, die mit den frühkindlichen Erfahrungen verknüpft sind, entsteht für das Kind ein positives oder negatives Weltbild. Das wiederum sorgt für einen entsprechenden Charakter, der lebensbejahend und neugierig oder abwehrend bis aggressiv sein kann.

Die Unfähigkeit, eine Aktion willentlich zu beenden, entsteht aufgrund einer Impulskontrollstörung. Normalerweise ist der Mensch in der Lage, mit einer Tätigkeit jederzeit aufzuhören, indem er sich für die Beendigung entscheidet. Selbst kleine Kinder sind in der Lage, ihr Spiel zu unterbrechen, wenn es Zeit fürs Bett oder das Mittagessen ist. Sie fühlen sich zwar gestört und tun dementsprechend ihren Ärger kund, sie können sich aber sofort auf etwas anderes fokussieren und dementsprechend handeln.

Bei Suchterkrankungen ist das nicht (mehr) möglich, denn der Betroffene unterliegt einem Verhaltenszwang. Dieser hat sich im Gehirn durch eine entsprechende Verschaltung der Gehirnzellen etabliert. Erfolgt von der Außenwelt ein entsprechender Reiz, setzt ein automatisches Verhalten ein, das sich willentlich nicht mehr steuern lässt. Als Ursachen kommen genetische Defekte, Traumata, Konditionierungen und aktuelle Stressfaktoren infrage.

ICD-10-Klassifikation

Mithilfe der ICD-10-Klassifikation werden Krankheiten weltweit konkrete Codes zugeordnet. Dabei steht die Ziffer 10 für die zehnte Auflage der Klassifikation. In dieser werden in Kapitel V psychische, verhaltensauffällige und entwicklungsbedingte Störungen aufgeführt.

Seit dem 1.1.2022 ist auch die ICD-11 anwendbar. Diese Fassung legt fest, dass die Computerspielsucht (6C51) neben dem bisher aufgeführten pathologischen Glücksspiel (F63.0) ebenfalls als Impulskontrollstörung anerkannt wird. Zwanghaftes Sexualverhalten (6C72) wurde ebenfalls als Suchtverhalten klassifiziert.

Spielsucht: Allgemeines

Laut bundesregierung.de sind 430.000 Menschen in Deutschland spielsüchtig. Doch die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen, da Menschen, die sich mit ihrer Abhängigkeit nicht eine Therapie begeben, nicht erfasst werden. Die charakteristischen Verhaltensweisen bei einer Spielsucht äußern sich folgendermaßen:

  • Das gesamte Denken dreht sich nur noch um das Spielen, Einsätze und Gewinne.
  • Obwohl gesagt wird, dass man jederzeit mit dem Spielen aufhören kann, ist das nicht mehr möglich.
  • Das finanzielle Budget überschreitet den möglichen Rahmen.
  • Spielsüchtige verheimlichen das Spielgeschehen gegenüber der Familie und Freunden.
  • Arbeit, Partnerschaft und Freunde werden aus den Augen verloren.

Fakten

  • 2020 wurden in Deutschland 11,7 Milliarden Euro im Glücksspielsektor verspielt.
  • 2021 kam es alleine bei Sportwetten zu einem Umsatz von 9,4 Milliarden Euro.
  • 40 Prozent aller Deutschen haben im vergangenen Jahr an Glücksspielen teilgenommen.
  • 22.435 Menschen ließen sich im Jahr 2021 für die Teilnahme an Glücksspiele sperren.
  • 1.843 wurden bereits 2010 aufgrund einer Spielsucht therapiert, die Rückfallquote liegt bei 60 Prozent. Im Jahr 2022 liegt die offizielle Zahl der Spielsüchtigen bereits bei 430.000.

Glücksspiele erfolgen nicht nur offline in Spielbanken, an Geldspielautomaten oder in Pokerrunden. Die Möglichkeiten vervielfachen sich, seitdem sich Glücksspiele auch im Internet verbreiten. Lotterie- und Wettscheine lassen sich online ausfüllen und abgeben und erfordern nicht länger den Weg zum nächsten Kiosk. Zudem etablieren sich immer mehr Websites, die Glücksspiele anbieten.

Die Hoffnung auf das schnelle Geld wächst in Zeiten materieller Unsicherheit. Wenn Leistung im Beruf unterbezahlt wird, das Einkommen stagniert, die Preise steigen und Menschen keine Möglichkeit sehen, aus eigener Kraft zu mehr Geld zu kommen, haben Glücksspiele Hochkonjunktur. Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich dadurch noch mehr Menschen verschulden und in existenzielle Probleme geraten werden. Deshalb ist es wichtig, hinter die Kulissen zu schauen und mit gesundem Menschenverstand abzuwägen, wohin das eigene Geld gegeben wird.

Ursachen, Anzeichen und Auswirkungen

Spielsucht entwickelt sich von anfänglichem Ausprobieren zu einer Gewohnheit, die die Struktur des Gehirns verändert. Wie bei allen Süchten geht es darum, etwas kontrollieren zu können und damit Macht zu besitzen. Beim Rauchen sichert die Zigarette anfänglich die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Alkohol sorgt dafür, dass man sich gut fühlt und diesen Zustand nach eigenem Belieben aufrufen kann. Kaufsucht gibt einem das Gefühl, sich alles leisten zu können und bei der Spielsucht geht es darum, durch eigene Geschicklichkeit beim Lotto, an Automaten oder bei Sportwetten ans große Geld zu kommen.

Wenn keine Möglichkeit besteht, durch Erbschaft, Lohnarbeit oder Selbstständigkeit mehr Geld zu erhalten, erscheint es sehr verlockend, um Geld zu spielen. Dabei müssen keine Leistungen erbracht werden, denn es braucht nur ein wenig Glück. Natürlich denkt jedes menschliche Ego, dass ihm der Hauptgewinn bestimmt sein muss, doch für die meisten Menschen endet das Spielen um Geld im finanziellen Ruin. Dabei vollzieht sich diese Entwicklung in drei Schritten:

1. Positives Anfangsstadium

In dieser Phase kommt es zu ersten Begegnungen mit dem Glücksspiel und zufällig zu ersten Gewinnen, die für die Ausschüttungen von Glückshormonen sorgen. Der Betreffende erlebt auch Niederlagen, aber diese verblassen gegenüber einem finanziellen Gewinn. An diesem Punkt entsteht der Gedanke, dass potenzielle Gewinne von Taktiken abhängen und dass sich Gewinne durch die eigene Geschicklichkeit erreichen lassen. Wer sich davon überzeugt hat, wird weiterhin spielen, denn man muss nur gut genug sein, dann lächelt einem das Glück entgegen.

Während der Alltag fest strukturiert ist und das Angestelltenverhältnis kein finanzielles Plus zulässt, sorgt die Möglichkeit des Glücksspiels zumindest gedanklich für eine positive Zukunft. Die Erwartung auf einen bevorstehenden Gewinn bringt Glückshormone hervor und erschafft eine eigene Welt, in der sich der betroffene Mensch immer mehr zu Hause fühlt.

2. Kritisches Gewöhnungsstadium

Zu diesem Zeitpunkt flachen die Glückshormone ab, denn jetzt tritt der Kampf um den Erfolg ein. Was zuvor ein Spiel war, bei dem Gewinnen und Verlieren gleichermaßen akzeptiert wurden, wird jetzt zum Kampf um Leben und Tod. Es muss um jeden Preis gewonnen werden und dabei ist der Einsatz egal.

Deshalb werden die Spielzeiten in dieser sogenannten Verlustphase immer länger. Höhere Verluste müssen mit immer höheren Einsätzen ausgeglichen werden, sodass die Familie beginnt, finanziell unter dem Spielen zu leiden. Der Drang, verspieltes Geld zurückzugewinnen wird immer größer, deshalb kann es zur Vernachlässigung der Familie oder der Aufgaben am Arbeitsplatz kommen.

Zu diesem Zeitpunkt entwickelt sich aus einem harmlosen Spielvergnügen eine negative Gewohnheit. Finanzieller Verlust muss mit immer mehr Geld ausgeglichen werden und jeder Gewinn bestärkt den Betroffenen darin, weiter um den Jackpot zu spielen. Sind die eigenen Reserven erschöpft, wird Geld geborgt oder in Form von Krediten aufgenommen. Bei einer direkten Nachfrage kommen keine konkreten Aussagen, denn die Betroffenen versuchen, das Geschehen zu verheimlichen. Dass dadurch familiäre Probleme entstehen, Freundschaften zerbrechen und es zu einer Isolation gegenüber anderen Menschen kommt, wird in den meisten Fällen nicht mehr reflektiert.

Längst ist der Fokus ausschließlich auf den einen Gewinn ausgerichtet, der zuerst erreicht werden muss, bevor man sich wieder dem Alltag zuwenden will. Interessanterweise löst auch ein Gewinn das Problem nicht auf. Kommt es dazu, gibt es neue Ausreden, um das gewonnene Geld erneut einzusetzen. Nicht nur der Gewinn ist das angestrebte Ziel, sondern auch der Nervenkitzel, der durch die Hormonausschüttungen erzeugt wird.

3. Suchtstadium

Zu diesem Zeitpunkt hat der betroffene Mensch keinen freien Willen mehr, sondern muss den inneren Suchtstrukturen folgen. Die Kontrolle über das eigene Verhalten wurde verloren und jeder Cent wird sofort in ein neues Spiel investiert. War es in der zweiten Phase noch möglich, innerhalb zeitlicher Intervalle auf das Spielen zu verzichten, in das jetzt nicht mehr möglich.

Diese Entwicklung lässt sich mit einem Raucher oder Alkoholiker vergleichen, der seinem Körper das Suchtmittel nicht schnell genug zur Verfügung stellt. Es stellen sich Entzugserscheinungen ein, die den Betroffenen in physische Schwierigkeiten bringen.

Bei der Spielsucht ruft der psychische Entzug die gleichen Symptome hervor. Unruhe, Konzentrationsschwäche, Herz-Kreislauf-Probleme und Angstgefühle entstehen, wenn das nächste Spiel nicht schnell genug in Angriff genommen wird. Der Körper hungert nach den mittlerweile gewohnten Glückshormonen, doch das Belohnungszentrum kann seine Botenstoffe nur ausstoßen, wenn ein Wettschein ausgefüllt oder ein Glücksspielautomat benutzt wurde.

Um zu verstehen, weshalb manche Menschen eine Spielsucht entwickeln und andere nicht, müssen mehrere Komponenten betrachtet werden. Das Glücksspiel, die Person und die Umwelt. Diese drei Faktoren interagieren miteinander und bei einer gewissen Konstellation ist die Möglichkeit, ein Suchtverhalten beim Glücksspiel zu entwickeln, besonders hoch.

Dabei ist zu berücksichtigen, wie “attraktiv” das Glücksspiel erscheint. Da Lottoscheine heute online abgegeben werden können, hat sich die Hemmschwelle bezüglich dieser Art von Glücksspielen verändert. Bei Pokerrunden lockt die Geselligkeit mit Gleichgesinnten, mit denen man sich identifizieren kann. Außerdem suchen sich Menschen Glücksspiele aus, bei denen sie nicht lange auf ein Ergebnis warten müssen. Schnelle Auszahlungen rufen immer wieder den “Kick” hervor, der Endorphine in den Körper strömen lässt und so zu neuen Aktionen verleitet.

Die Umwelt hat ebenfalls ihren Anteil daran, dass sich immer mehr Menschen durch das unkontrollierte Glücksspiel verschulden. Suggestionen, dass jeder dritte Schein gewinnt oder man beim Poker aufgrund der eigenen Fähigkeiten die Spielerrunde dominieren kann, führen meist zur Spielsucht und zum Bankrott. Wer gerne ein Risiko eingeht oder zu impulsiven Handlungen neigt, ist dabei besonders gefährdet.

Wurde dieses Verhalten bereits im Elternhaus vorgelebt, ist eine gewisse Affinität zum Glücksspiel wie auch anderen Suchtmitteln gegeben. Kommen dann psychisch und physisch belastbare Situationen hinzu, geht es schnell in Richtung Suchterkrankung. Die Scheidung des Partners, der Verlust des Arbeitsplatzes, eine abgelehnte Gehaltserhöhung oder eine schwere Krankheit können dafür sorgen, dass ein Mensch den falschen Weg wählt, um sich zufrieden und anerkannt zu fühlen.

Therapie und Prävention

Suchttherapie

Suchttherapie
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Wie bei allen Suchttherapien steht an erster Stelle einer Behandlung der Entzug. Der Verzicht auf das Suchtmittel kann auch bei einer Therapie der Spielsucht physische Symptome hervorrufen. Ist diese Phase geschafft, geht es darum, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Nur so lässt sich herausfinden, welche natürlichen Bedürfnisse durch die Sucht als Ersatzhandlung befriedigt werden sollen. Wer sich diesen Einsichten stellt, kann sein Leben verändern und wieder in den Griff bekommen. Gelingt dieser Schritt nicht, kann die Verhaltensstruktur nicht verändert werden und der Betroffene rutscht erneut und tiefer in die Abhängigkeit.

Verhaltenstherapie

In einer Verhaltenstherapie wird die Realität thematisiert, dass ein Spieler keinen Einfluss auf das Ergebnis von Glücksspielen hat. Welche Bemühungen und Anstrengungen auch unternommen werden, das Ergebnis lässt sich nicht beeinflussen (außer bei einigen Kartenspielen durch die Kunst des Kartenzählens). Ist diese Tatsache verstanden, löst sich der Druck, zu einem Gewinn zu kommen, auf und macht den Weg zur Distanzierung von Glücksspielen frei.

Motivation

Viele Klienten sprechen auch auf eine Therapie an, die sich am Intellekt ausrichtet. Diese zeigt die Vor- und Nachteile des Spielens auf, sodass sich der Klient diesen Tatsachen auch emotional stellen muss. Das kann zu Verhaltensänderungen und aus der Spielsucht führen. Gleichzeitig dienen diese Argumente als Anker, wenn es darum geht, neuen Versuchungen aus dem Weg zu gehen.

Psychotherapie

Die effektivsten Veränderungen bewirkt eine Psychotherapie. Sie deckt auf, was der Klient durch die Spielsucht kompensieren will und welche Verhaltensmuster er in seiner Kindheit erlebt und übernommen hat. Treten in der Gegenwart ähnliche Situationen im Privat- oder Berufsleben auf, fehlt unter Umständen eine adäquate Handlungsweise im Repertoire des Klienten. Durch eine Psychotherapie lassen sich diese Strukturen aufdecken und verändern.

Angehörige können dagegen nur sehr wenig tun, wenn es darum geht, suchtkranken Partnern oder Kindern zu helfen. Ohne den eigenen Willen, aus diesen Strukturen auszusteigen, kann keine Heilung erfolgen. Ist das Familienmitglied dazu jedoch bereit, sollten Angehörige sehr viel Geduld aufbringen.

Oft muss die Familiengeschichte aufgearbeitet werden, denn innerhalb der Familie gibt es häufig Personen, durch deren Anwesenheit bestimmte Verhaltensmuster immer wieder ausgelöst werden. Daher ist oft die Bereitschaft zu einer Familientherapie die Voraussetzung zur Heilung des suchterkrankten Menschen.

Präventiv muss das Verhalten der Eltern in Betracht gezogen werden, die die Weichen für die Verhaltensmuster legten. Wer stundenlang am Computer oder Handy spielt, kann nicht erwarten, dass die eigenen Kinder Bücher lesen, Sport treiben und mit anderen Kindern im Freien spielen. Hier liegt die Gefahr für die heranwachsende Generation, deren Eltern von den Medien abhängig sind. Der persönliche Kontakt wird immer weniger, die Ansprache der fünf Sinne zunehmend geringer. Nur ein Mensch, dessen Grundbedürfnisse nach Nähe, Akzeptanz, Ansprache und Wertschätzung von einem anderen Menschen in der Kindheit erfüllt werden, kann diese Empfindungen im späteren Leben in sich selbst berühren und muss sich nicht von Substanzen, anderen Menschen oder technischen Geräten abhängig machen.

Gaming Disorder: Die Computerspielsucht

Der digitale Fortschritt macht deutlich, was passiert, wenn der Mensch nicht in der Lage ist, zuerst sich selbst und anschließend die Technik zu beherrschen. Mit der Einführung von Computerspielen sitzen immer mehr Kinder und auch Erwachsene vor den Bildschirmen, um Figuren durch ein virtuelles Spielfeld zu dirigieren und Erfolgsmomente zu sammeln.

Was im physischen Leben nicht machbar ist, wird auf die Bildschirmfläche verlegt. Hier werden Städte gebaut, Monster gejagt oder Gegner besiegt. Noch spannender erscheint es, innerhalb eines virtuellen Spiels gegen Mitspieler anzutreten und die Kräfte zu messen.

Besonders reizvoll scheinen Computerspiele, in denen jeder Spieler Fähigkeiten, Rohstoffe oder Hilfsmittel freischalten kann, die er in einem integrierten Shop kauft. Hier laufen besonders Kinder Gefahr, ein völlig unrealistisches Bild von Geld aufzubauen, weil ihnen das Bedürfnis nach mehr Möglichkeiten auf diese Weise antrainiert wird.

Computerspielsucht ist mittlerweile als Suchtkrankheit anerkannt. Wie bei der klassischen Spielsucht entwickelt sich auch hier die Gewohnheit, das Bedürfnis nach Anerkennung, Wertschätzung und Wahrnehmung eigener Fähigkeiten nicht zunehmend in sich selbst zu suchen. Vielmehr werden Situationen genutzt, die das Belohnungszentrum ansprechen, indem man gewinnt.

Während der Lottoschein, Roulette, Spielautomaten und Kartenspiele mit finanziellem Einsatz die Psyche an ein bestimmtes Verhalten binden, wirken Computerspiele noch intensiver. Auch hier gibt es Gewinner und Verlierer, allerdings findet sich jeder Spieler in einer virtuellen Geschichte wieder. In Bezug auf die eigene Entwicklungsgeschichte können dadurch Erfahrungen berührt werden, die im Unterbewusstsein abgelegt und noch nicht verarbeitet wurden. Zur eigenen Welt, die durch das Spielverhalten entsteht, kommen weitere innere Bilder hinzu, die durch die Themenwelten ausgelöst werden und für psychische Probleme sorgen können.

Auch die Gehirnaktivität ist um ein Vielfaches stärker gefordert (überfordert), als bei der klassischen Spielsucht. Die Reizüberflutung sorgt dafür, dass neue Vernetzungen im Gehirn viel schneller erfolgen, sodass sich Gewohnheiten innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes ausbilden können. Die Veränderung der eigenen Persönlichkeitsstruktur erfolgt in viel intensiverer Weise, ohne dass die Betroffenen das selbst bemerken. Wird der Konsum der Medien gerade im Kindesalter nicht begrenzt, kann das ernste Auswirkungen auf das gesamte Leben haben.

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