Langjährige schlechte Gewohnheiten im Alter loswerden

Wenn man erst einmal ein gewisses Alter erreicht hat, dann hatten manche Routinen Jahrzehnte oder gar ein ganzes Leben lang Zeit, sich einzuschleifen. Bei guten Angewohnheiten ist das ein Plus. Bei schlechten Angewohnheiten kann es deshalb jedoch schwierig erscheinen, sie jetzt noch loszuwerden. Es kann jedoch gelingen – und sich immer lohnen.

Rauchen aufgeben

Nicht nur Süchte sind schlechte Angewohnheiten – aber häufig
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Alter und schlechte Gewohnheiten: Warum sich beibehalten nicht lohnt und schädlich sein kann

Was sind schlechte Angewohnheiten? Hinter diesem Dachbegriff verbirgt sich eine extrem vielfältige Bandbreite von Dingen, die uns zur Gewohnheit geworden sind, die aber entweder für uns selbst oder unser Umfeld irgendwie nachteilig sind. Natürlich gehören diverse Süchte prominent dazu. Allerdings greift es deutlich zu kurz, sich darauf zu beschränken:

  • Mangel an Bewegung – oder falsche Bewegungen.
  • Falscher Medienkonsum oder der Konsum „falscher“ Medien.
  • In irgendeiner Form ungesunde oder anderweitig nachteilige Ess- und Trinkgewohnheiten. Beispielsweise abendlich schwere Mahlzeiten, obwohl man genau weiß, wie der Körper darauf mit Alpträumen und Sodbrennen reagiert.
  • Diverse Reaktionen auf bestimmte Situationen. Etwa rasches Aufregen über Nichtigkeiten oder andauernde Selbstzweifel ohne Grund.
  • Unzuverlässigkeit oder Unpünktlichkeit.

Tatsache ist: Die Liste von schlechten Angewohnheiten ist nicht nur extrem lang, sondern sie enthält viele Dinge, die im Höchstmaß personenabhängig sind. Das bedeutet nicht zuletzt, ob es sich überhaupt um eine schlechte Routine handelt, hängt teilweise davon ab, ob jemand oder sein Umfeld überhaupt negativ darüber denkt.

Doch warum sollte man bei denjenigen Dingen, die wirklich störend, ärgerlich oder ungesund sind, in einem höheren Anteil nochmal einen Wandel vollziehen? Ganz einfach: Um sich und/oder seinem Umfeld Gutes zu tun. Am offensichtlichsten ist das bei unstrittig ungesunden Angewohnheiten.

So zählt selbst nach einem ganzen Raucherleben immer noch jede einzelne Zigarette, die nicht in Qualm aufgeht – und schon nach wenigen Minuten stellen sich positive Effekte ein.

Ganz ähnlich kann es für das eigene Umfeld nur von Vorteil sein, beispielsweise nicht bei geringsten Anlässen aus der Haut zu fahren – ebenso, wie es Blutdruck und somit Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko danken werden.

Zusammengefasst: Man ist nie zu alt, um sich schlechte Angewohnheiten wieder abzugewöhnen. Tatsächlich benötigt es dabei nicht einmal (nur) eisenharte Selbstdisziplin, sondern viel eher das Nutzen diverser Tricks und Kniffe.

1. Sich die Negativität der Handlung eingestehen

Wie wir im nächsten Kapitel noch genauer erläutern werden, ist aus Sicht unseres Gehirns jede Gewohnheit zunächst einmal nur das: Eine Routine, deren Einhaltung in unserem Gehirn einen Reiz im Belohnungszentrum auslöst. Diese Belohnung ist der Hauptgrund, warum wir überhaupt immer wieder und wieder so handeln.

Dieser erste Schritt zur Beendigung schlechter Gewohnheiten ist für die meisten Menschen im höheren Alter tatsächlich der schwierigste: Sie müssen sich zunächst einmal eingestehen, dass es eine Angewohnheit ist – und eine, die keine positiven Effekte generiert.

Sie wirkt sich entweder negativ auf die eigene Psyche aus, den Körper oder das Umfeld. Gerade bei Senioren erfordert dieses Selbsteingeständnis einiges an (mentaler) Kraft. Nicht nur, weil es eine seit vielleicht seit vielen Jahrzehnten ablaufende und daher sehr tiefsitzende Routine ist, sondern weil diese Menschen sich dann ebenso eingestehen müssen, seit sehr langer Zeit etwas falsch zu machen – das macht niemand gerne.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung

Dieser Satz mag manchem Leser bekannt sein. Doch selbst wenn er überaus häufig nur als Floskel oder sogar sarkastisch genutzt wird, so hat er dennoch einen nicht zu leugnenden wahren Kern: Nur, wer die wahre Wirkung von etwas erkennt und sich dadurch eingesteht, sich keinen Gefallen zu tun, erlangt die Fähigkeit, etwas zu verändern.

2. Die Quelle der Angewohnheit beseitigen

Absolut jede Gewohnheit positiver oder negativer Natur folgt gemäß dem US-Journalisten und Pulitzer-Preisträger Charles Duhigg einem dreistufigen Kreislauf:

  1. Der Auslöser: Hierbei handelt es sich um denjenigen Umstand, der das Verhalten sozusagen „zündet“.
  2. Die Routine: Das ist die Angewohnheit, die vom Auslöser getriggert wird.
  3. Die Belohnung: Jede Handlung wird nur deshalb zur Routine, weil dadurch im Gehirn ein positiver Reiz entsteht.

Schlechte Angewohnheiten sind also praktisch ein unangenehmer Nebeneffekt des „Autopiloten“ in unserem Gehirn. Das möchte möglichst viele Routinen haben, weil diese sich am effizientesten beherrschen lassen (hierin liegt der Grund, warum der Mensch ein sprichwörtliches „Gewohnheitstier“ ist). Das eröffnet jedoch viel Raum für weniger positive Angewohnheiten.

Der erste aktive Schritt zu ihrer Bekämpfung besteht daher darin, besagten Auslöser zu finden und zu eliminieren:

  • Wann genau greifen wir zur Zigarette?
  • Wieso haben wir immer wieder das Smartphone in der Hand?
  • Warum genau sind wir morgens selbst gegenüber dem Partner so mürrisch?
  • Weshalb neigen wir dazu, so schnell zornig zu werden und vielleicht sogar andere dabei mit Worten niederzumachen?

Das kann je nach Angewohnheit durchaus schwierig sein und nicht nur Recherche, sondern eine ehrliche Selbstanalyse erfordern. Dafür allerdings kann es extrem machtvoll sein, den Auslöser zu eliminieren.

Doch wie erfolgt dieses Eliminieren? Einfach gesprochen: Indem man möglichst Situationen vermeidet, in denen die Gewohnheit getriggert wird. Wer beispielsweise nach dem Essen grundsätzlich eine Zigarette raucht, bevor er sich an den Abwasch begibt, kann stattdessen versuchen, den Abwasch schlicht sofort zu machen.

Oder wer hinter dem Steuer dazu neigt, sich über andere Verkehrsteilnehmer aufzuregen (dieses Beispiel werden wir im Textverlauf noch häufiger heranziehen), kann versuchen, weniger Wege (selbst) mit dem Auto zu fahren. Ergänzend oder alternativ kann zu folgendem Hilfsmittel gegriffen werden:

Auch übermäßige Handynutzung ist durchaus eine schlechte Angewohnheit.

Auch übermäßige Handynutzung ist durchaus eine schlechte Angewohnheit.
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3. Ablenkungen schaffen

Unser Gehirn folgt selbst tiefsitzenden Routinen nur so lange, wie es sich in einem ihm bekannten Umfeld befindet. Wer etwa mit dem Auto durch seinen Heimatort fährt, agiert dabei viel mehr im unbewussten „Vollautomatik-Modus“ als wenn er durch eine fremde Stadt fährt.

Dadurch laufen viele Gewohnheiten ebenso automatisch und ohne Nachdenken ab. Nimmt man dem Gehirn jedoch die Möglichkeit, sich in einem so verlässlichen Umfeld zu bewegen und gibt ihm stattdessen etwas völlig anderes, interessantes, mit dem es sich beschäftigen muss, vergisst es buchstäblich diese Routine, denn es konzentriert sich auf das Neue, Spannendere.

Doch wie lenkt man sich ab? Eine Option, die sehr viele schlechte Angewohnheiten gleichermaßen „packt“, wäre Sport. Er ist im höheren Alter sowieso bei passender Verfassung angeraten und wird deshalb umfassend übernommen und gefördert; insbesondere von den Krankenkassen.

In der Praxis ist allerdings alles gestattet, was einen effektiv davon abhält, in die negative Routine zu verfallen. Wer sich – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen – beim Autofahren immer mächtig über andere Verkehrsteilnehmer aufregt, kann etwa prüfen, ob es ihn ablenkt, beim Fahren einen Podcast, ein Hörbuch oder Ähnliches zu hören. Also etwas, auf das man sich eher konzentrieren muss als auf herkömmliche Musik.

4. Neue Belohnungen etablieren

Es mag vielleicht merkwürdig klingen, aber selbst die schlechteste Angewohnheit löst, wie schon erläutert, bei ihrer Durchführung einen positiven Reiz in unserem Gehirn aus. Bleiben wir bei dem angesprochenen Meckern über andere Verkehrsteilnehmer:

Indem wir es unserem Gehirn gestatten, sich mit Kraftausdrücken „Luft zu machen“, bedankt es sich dafür mit einem angenehmen Gefühl. Wir glauben dann beispielsweise, das Verhalten des Vordermannes auf der Straße würde uns nicht mehr so aufregen oder sei nun gesühnt – wo sich in Wahrheit gar nichts daran geändert hat und jetzt bloß Blutdruck und Puls völlig überflüssig angestiegen sind.

Hierin findet sich ein wichtiger Grund, warum der berühmte „innere Schweinehund“ so mächtig ist und wieso viel Selbstdisziplin nötig ist, um insbesondere langjährige Gewohnheiten auf klassische Weise zu ändern: Denn dadurch wird unserem Gehirn ein positiver Reiz ersatzlos entzogen.

Wird dieser Reiz hingegen durch eine andere Belohnung ersetzt, dann fällt unserem Denkzentrum die Verhaltensänderung schon deutlich leichter. Was das ist, hängt primär von der schlechten Angewohnheit und den eigenen Neigungen ab. Pauschale Antworten sind daher unmöglich. Allerdings sollte die Belohnung

  • der vorherigen bei der schlechten Gewohnheit ähneln;
  • zeitlich in einem engen Zusammenhang mit der vermiedenen Handlung erfolgen;
  • möglichst nicht eine negative Gewohnheit gegen eine andere ersetzen.

Jede vermiedene Zigarette sollte also nicht durch ein Stück Schokolade ersetzt werden, sondern vielleicht beispielsweise durch ein dem Dauer der Raucherpause entsprechendes Lieblingslied oder das Einwerfen des Gegenwerts einer Zigarette in ein Sparschwein (aktuell, Ende 2023, sind das immerhin 41 Cent pro Stück).

Wer so agiert, der geht den Weg des allergeringsten Widerstandes. Denn unserem Gehirn geht es in diesem Moment nur um den Belohnungsreiz. Danach ist es hauptsächlich süchtig – weder nur nach der Wirkung des Nikotins noch derjenigen des Zuckers.

Daher ist ein hohes Alter tatsächlich keine Ausrede, um schlechte Angewohnheiten beizubehalten. Dieser Tausch ist in jeder Lebensphase möglich – man muss es eben nur wollen.

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